vom Suhrrehm

Meine Philosophie

Dies klingt schon wie eine abgedroschene Floskel und hat für mich doch eine besondere Bedeutung. Der Keim hierfür wurde in frühester Kindheitsprägung gelegt. Als ich im Kinderwagen lag, konnten mich meine Eltern mit unserem Deutschen Schäferhund “Falko” allein auf dem Rasen zurücklassen und brauchten sich keine Sorgen zu machen. Falko lag vor dem Kinderwagen und niemand außer meinen Eltern durfte an mich heran. Wenn ich geweint habe, hat er mein Gesicht geleckt.

 

Es gab einen engen Bekannten der Familie, der fast täglich bei uns arbeitete und Falko regelmäßig und ausgiebig streichelte bzw. mit ihm spielte. Einmal waren meine Eltern nicht zu Hause. Falko war auf der Diele. Der Arbeiter betrat die Diele und streichelte Falko. Als er zur Innentür ging fasste Falko ihn sanft am Unterarm und hielt ihn fest. Wenn der Arbeiter versuchte, weiter zu gehen, wurde der Druck fester. Ging er zurück, ließ Falko ab. Es war kein Durchkommen ins Haus, obwohl der Mann doch bei uns fast täglich ein und aus ging. Der Hund unterschied feinsinnig, dass dieser Freund der Familie eben nicht Bestandteil der Familie war und während der Abwesenheit der Eltern im intimen Kern des Hauses nichts zu suchen hatte.

Das ist reine, nicht manipulierte Genetik. So war er einmal, unser Deutscher Schäferhund. Besagter Arbeiter war ein Fan dieses Hundes und sagte häufig zu meinem Vater: „So einen Hund kriegst Du nie wieder.“ Diese Worte haben sich in meinem Gedächtnis manifestiert und bilden die Grundmotivation meiner züchterischen Aktivitäten, obgleich ich deren tiefere Bedeutung erst viel später verstand.

Dass es noch möglich ist, wirklich charakterstarke Hunde zu züchten, hat sich bereits in Alltagssituationen von Suhrrehm-Hunden gezeigt.

Charakterstärke zeigt sich nicht auf dem Übungsplatz sondern in Alltagssituationen außerhalb von Trieblage und Konditionierung. Die Erinnerung an Falko (und andere Hunde) hält mich davon ab, nur den modernen Sport- und Punktehund zu züchten. Ich würde mich ihm gegenüber, stellvertretend für die Rasse, als Verräter fühlen. Ihn verraten, der doch so unmanipulierbar „treu“ war (ein heutzutage eher seltenes Attribut).

Die Internationale Gebrauchshundprüfung (IGP) ist gerade wegen ihrer Vielseitigkeitsanforderungen (Fährtensuche, Teamübungen und Schutzdienst) ein hervorragendes Zuchtlenkungsinstrument. Allerdings werden auch mit der ständig fortschreitenden Ausbildungsqualität und zunehmender Fokussierung auf Gehorsam in der Bewertung veränderte Anforderungen an den Vierbeiner gestellt.

Viele moderne Sporthunde sind stark in der Führigkeit, die häufig mit Nervösität einhergeht. Auch im Schutzdienst kommt ihnen Führigkeit und Nervösität zugute. In schweren Fährtensituationen neigen sie dann aber dazu, den Hundeführer um Hilfe zu bitten, oder haben garnicht erst den nötigen Finderwillen. Daher gewinnen die Fährtenresultate aktuell für mich an züchterischer Bedeutung.

Dem gegenüber steht der existenzieller veranlagte Prototyp, der den Schutzdienst ernst meint, aber nicht so gut bellt, und in der Fährtensuche hoch belastbar ist. In B ist er aber nicht so leicht zu führen. Dieser Typ ist seltener anzutreffen.

Ich persönlich sehe den Reiz in der Vielseitigkeit. Würde eine der drei Disziplinen entfallen, würde ich den Sport an den Nagel hängen. Mein Ziel ist es daher, den vorbeschriebenen existenzielleren Hund zu züchten, der über einen guten Beutetrieb auch in der Unterordnung zu Spitzenleistungen fähig ist. Ein Hund der in allen drei Disziplinen nicht nur punktet, sondern wirklich überzeugt, ist heute und war auch früher selten. Er ist und bleibt für mich aber das Maß aller Dinge und somit mein Zuchtideal.

Ein guter Gebrauchshund muss über den Körper eines vielseitigen Spitzensportlers verfügen. Dieser Körper besteht aus einer zweckmäßigen Anatomie sowie aus starker internistischer Gesundheit. Welchem Zweck soll dieser Körper nun dienen?

1. Ausdauer:
Ein ausdauerndes Trabergebäude soll dem DSH ermöglichen, von Sonnenauf- bis –untergang die Herde zu umkreisen. Im heutigen Alltag ermöglicht ihm das, lange Fahrradtouren seiner Familie zu begleiten und bei allem was er tut, weniger schnell zu ermüden. Dazu muss der Hund über eine gute Traberanatomie verfügen. Das SV Schau- und Körwesen fördert dieses. Doch Vorsicht: Ein überwinkelter Hund benötigt zu viel Energieaufwand, um die Hebel zu bewegen und ermüdet schnell. Auch muss der Hund über ein gutes Kraft/Last-Verhältnis verfügen. Die Übersetzung (Laufknochenlänge) muss im richtigen Verhältnis zur Kraft (Bemuskelung) stehen. Auch hier werden leider häufig Hunde mit übertriebener Rumpfausprägung bevorzugt, was nicht nur die Ausdauer stark beeinträchtigt.

An dieser Stelle muss leider etwas zur Ausdauerprüfung gesagt werden: Einen 20-km-Lauf auf nüchternen Magen ohne Pause habe ich zu meiner aktiven Marathonzeit morgens als Erholungslauf in einer wesentlich schnelleren als der in der PO vorgegebenen Maximalzeit absolviert und bin anschließend frisch und munter zur Arbeit gegangen. Es ist eines Schäferhundes unwürdig, dabei zwei Pausen einzulegen und keine halbwegs angemessene Zeitvorgabe zu erhalten.

Im Yukon habe ich Erfahrungen mit Schlittenhunden sammeln können. Die ziehen den ganzen Tag einen Schlitten. Und am nächsten Tag wieder. Beim Yukon Quest werden 1.000 Meilen in 10-11 Tagen zurückgelegt. Verpflegung ist auf dem Schlitten mitzunehmen. Die Route geht quer durch das Gelände. Obwohl diese Hunde nicht nur laufen (Ausdauer), sonder auch ziehen (Kraft) müssen, sind sie schlanker gebaut als unsere DSH. Das muss uns doch etwas sagen. Diese Hunde sind so gesund und leistungsfähig. Sie kennen weder Röntgengerät noch Schaubewertung.

 

2. Kraft:
Kraft wird häufig mit Körpervolumen und Gewicht verwechselt. Ein Hund mit einem überdimensionierten Rumpf und vergleichsweise kurzen Gliedmaßen wird dann als kräftig deklariert. Er mag zwar tatsächlich kräftig sein, ist aber völlig unsportlich. Wozu muss aber ein Hund kräftig sein? Zum Sprinten? Ja, aber das geringe Körpergewicht ist hier wichtiger als die Muskelmasse (s. Malinois).

Der Schutzhund benötigt eine starke Kieferkraft (Kopfmuskeln) und Nackenmuskulatur zum halten und erlegen des Beuteobjektes. Letztere schützt ihn auch vor Verletzungen z. B. beim Einholen im Schutzdienst. So kann er auch Dominanz und Durchsetzungskraft entfalten.

3. Schnelligkeit:
Immer wieder wird die „Grundschnelligkeit“ genannt. Oft handelt es sich um quadratische, schwere, tief gestellte Hunde, die in der Tat schnell vom Vorsitzen in die Grundstellung wechseln können. Der breite Körperbau und die kurzen Hebel ermöglichen auch tatsächlich eine Entfaltung starker Horizontalkräfte. Das reicht mir nicht.

Zunächst einmal muss ein Hund für mich schnell laufen können. Die Entwicklung der Endgeschwindigkeit sollte mehr Beachtung finden. Ein schneller Hund muss leicht sein, über lange Laufknochen verfügen und die Muskelpakete an der richtigen Stelle haben (Rücken und Oberschenkel). Die Rückenbewegung ist auch sehr wichtig, und der Rücken darf nicht zu kurz sein. Ich versuche beim Revieren und Einholen auf die absolute Schnelligkeit zu achten und nicht auf die Schnelligkeit der Bewegungen. Vermehrt sehe ich Hunde, die kaum Schub auf der Hinterhand haben, wenig Rückenaktivität und –übertragung und notgedrungen über die Vorhand ziehen. Diese Hunde meide ich als Deckpartner.

Alle vorgenannten Eigenschaften in einem Hund zu vereinen, klingt wie die „eierlegende Wollmilchsau“ zu züchten. Dabei strebe ich zusätzlich noch den gut körfähigen Hund an, der über ein kräftiges Gebiss mit starkem Zahnschmelz verfügt. Die Auswahl der Deckrüden ist daher ein mühsames Unterfangen, kann nicht ganz frei von Kompromissen sein und lässt am Ende nur ein bis zwei Exemplare für eine bestimmte Zuchthündin mit ihren individuellen Stärken und Schwächen in Betracht kommen.